Eine individuelle unternehmerische Verfahrensdokumentation ist ein hilfreiches Element bei der Erfassung und Beschreibung aller eingesetzten IT-Systeme und der damit zusammenhängenden Prozessabläufe im Unternehmen. Dabei beschreibt sie sowohl organisatorisch als auch technisch alle in einem Unternehmen vorhandenen, buchhalterisch relevanten Geschäftsprozesse, was die Prozesse, Software und Hardware im Rahmen eines eingesetzten Dokumentenmanagementsystems wie PROXESS DMS mit einbezieht. Nach den GoBD (Grundsätzen zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff) ist sie zudem auch verpflichtend vorgeschrieben und wird so zum unverzichtbaren Instrument, um die Ordnungsmäßigkeit und Rechtssicherheit im Unternehmen zu gewährleisten.
Wie hat eine Verfahrensdokumentation auszusehen? Was muss sie umfassen? Wobei kann sie helfen und wie aufwändig ist das Ganze?
Um diese Themen genauer zu beleuchten, haben wir einen vertrauten Experten hinzugezogen und freuen uns über interessanten Input von Wilhelm F. Flintrop, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens 1st.-consulting. Als Koryphäe auf seinem Gebiet, berät er Unternehmen in Compliance-Angelegenheiten und legt seit jeher den Fokus darauf, die wachsende Flut an Präventions- und Nachweiserfordernissen, die mit der Digitalisierung einhergehen, für Unternehmen effizient, nachhaltig und in wirtschaftlicher Angemessenheit beherrschbar zu machen.
Herr Flintrop, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, ein paar grundlegende Fragen zum Thema Verfahrensdokumentation zu klären. Bitte schildern Sie uns kurz, warum eine Verfahrensdokumentation überhaupt verpflichtend ist und wie sie auch dem Unternehmen selbst hilft.
Die Verfahrensdokumentation ist im Zuge der Einführung eines Dokumentenmanagementsystems nicht nur eine gesetzliche Verpflichtung, sondern auch ein essenzielles Instrument für Unternehmen, um ihre Prozesse transparent und nachvollziehbar zu gestalten. Gemäß den Grundsätzen der GoBD, in aktueller Form gültig seit 01.01.2020, müssen alle steuerpflichtigen Unternehmen – unabhängig von ihrer Größe – genau dokumentieren, wie sie ihre Belege erfassen, digitalisieren, verarbeiten und aufbewahren. Die Verfahrensdokumentation soll Betriebsprüfenden den kompletten organisatorischen und technischen Prozess der analogen und digitalen Dokumenten- sowie Datenverarbeitung, einschließlich der zur Durchführung eingesetzten Hard- und Software innerhalb des Unternehmens transparent darstellen. Dies dient nicht nur der Einhaltung gesetzlicher Vorschriften, sondern ermöglicht es Unternehmen auch, ihre Prozesse zu optimieren und potenzielle Schwachstellen zu identifizieren.
Das heißt, eine gute Verfahrensdokumentation hat nicht nur rechtliche Gründe, sondern bietet Unternehmen auch Hilfestellung innerhalb ihrer Abläufe?
Absolut. Die Transparenz, die eine korrekte Verfahrensdokumentation mit sich bringt, bietet stets einen Mehrwert auf verschiedenen Ebenen. Sie gewährt etwa einen klaren Überblick über Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten im Unternehmen, was wiederum die Effizienz steigern kann. So wird sie z. B. auch in Onboarding-Prozessen finanzrelevanter Unternehmensbereiche genutzt, um den neuen Mitarbeitenden eine erste Übersicht, bezogen auf deren Tätigkeitsbereich, zu vermitteln.
Der wesentliche Vorteil ergibt sich aber bei der Erstellung, da alle Prozessabläufe bei der Ermittlung ausführlich dokumentiert und Prozesse sowie Systeme klar definiert werden. Hierbei empfiehlt es sich, die Beschreibungen stets kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls auf produktivere Alternativen zu prüfen. Außerdem erlaubt eine vollständige Verfahrensdokumentation der Geschäftsführung einen Überblick, wie sich der aktuelle Istzustand der Unternehmensprozesse tatsächlich darstellt und gibt Sicherheit für die nächste Betriebsprüfung.
Spannend. Was also muss eine Verfahrensdokumentation zwingend beinhalten und vor allem interessiert uns, was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Punkte, die es zu beachten gilt?
Aus der GoBD ergeben sich verschiedene Anforderungen an die Aufzeichnung und Aufbewahrung von buchführungsrelevanten Dokumenten sowie solchen Unterlagen, die für die Bewertung und Besteuerung relevant sind. Eine Verfahrensdokumentation muss alle relevanten Prozesse und IT-Systeme des Unternehmens detailliert beschreiben. Dabei müssen Aspekte wie interne Kontrollsysteme, Datensicherheit, Datenschutz und Aufbewahrung berücksichtigt werden. Insbesondere ist es wichtig, dass die Dokumentation nachvollziehbar und fortlaufend ist und den Grundsätzen der Wahrheit und Klarheit entspricht. Zudem müssen mögliche Migrationsszenarien sowie interne Kontrollvorgänge zur Sicherung des technischen Betriebs genauso festgehalten werden wie Zertifizierung, Software-Testate und Anwendungsregelungen.
Daraus resultierend hat sich für eine Verfahrensdokumentation nachstehende Gliederung bewährt:
- Allgemeine Unternehmensbeschreibung
- Dokumentation der finanzrelevanten Unternehmensprozesse
- Dokumentation der zugehörigen IT-Systeme
- Betriebsdokumentation
- Technische Lösung
- Herstellung der Informationssicherheit
- Langzeitverfügbarkeit von Dokumenten und deren Beschreibungsdaten
- Migrationsszenarien
- Mitarbeiter-Qualifikation
- Interne Kontrollszenarien zur Aufrechterhaltung und Sicherung des techn. Betriebes (IKS)
Was passiert, wenn ein Unternehmen keine oder nur eine unzureichende Verfahrensdokumentation vorweisen kann? Kennen Sie Fälle, in denen das Konsequenzen hatte?
Aber sicher. Schon seit einiger Zeit ist festzustellen, dass Betriebs- und Wirtschaftsprüfende bei ihren Betriebsprüfungen in Unternehmen verstärkt die Vorlage einer Verfahrensdokumentation fordern. Werden Unstimmigkeiten bei der Steuerprüfung festgestellt und eine Verfahrensdokumentation ist ebenfalls nicht vorhanden, kommt es immer öfter vor, dass die Betriebsprüfer im Hinblick auf die Einhaltung der GoBD daraus aus rein formellen Gründen eine Schätzungsbefugnis ableiten und empfindliche Bußgelder verhängen oder sogar die Betriebsprüfung verwerfen.
Erstmals bekannt wurde ein entsprechender Fall schon 2019. Dabei handelte es sich um ein kleines Unternehmen in Münster. Dieses wurde von der Oberfinanzdirektion Münster wegen Mängeln bei der Kassenführung und fehlender Verfahrensdokumentation zu einer Geldstrafe von ca. 9.000 Euro verurteilt.
Aber selbst, wenn ein Unternehmen nach bestem Ermessen eine Verfahrensdokumentation selbst erstellt hat, kann es vorkommen, dass Betriebsprüfende diese als ungenügend erachten, weil z. B. die vorab aufgeführten Inhalte nicht vollständig enthalten sind und entsprechende Nachbesserungen erfordern.
Das heißt, man kann viele Fehler machen. Also macht es Sinn, sich durch Experten unterstützen zu lassen, richtig?
Expertenwissen zu speziellen Sachenverhalten digitaler Prozesse auf der Grundlage von Gesetzen, Standards und Richtlinien ist in Unternehmen zumeist nicht oder nur sehr rudimentär vorhanden. Sich dieses Wissen anzueignen ist zeit- und kostenintensiv und dennoch fehlen dann Erfahrungswerte. Insofern ist es sinnvoll, sich durch Experten bei der Erstellung der Verfahrensdokumentation beraten bzw. unterstützen zu lassen. Experten analysieren die Prozesse, prüfen diese auf Optimierungspotenzial und Gesetzeskonformität und/oder erstellen diese vollständig. Der Mehrwert, der Unternehmen dadurch entsteht, rechtfertigt in der Regel die dabei anfallenden Kosten.
Vielen Dank, Herr Flintrop, für Ihre Zeit.
Bei Fragen zum Thema Verfahrensdokumentation und DMS stehen wir gern zur Verfügung und unterstützen Sie mit unseren Experten und Partnern auf dem Weg zu einem fortschrittlichen Management Ihrer Dokumente inkl. rechtsicherer digitaler Archivierung. So gehört auch Herr Flintrop und das Unternehmen 1-st.-consulting zu unserem Netzwerk an Spezialisten.
Mehr zum Thema GoBD erfahren Sie in unseren Blogbeitrag: Was bedeutet GoBD in der Praxis? – Wie Sie rechtssicher digital archivieren.